Zwischen Streicheleinheiten und Leckerli-Weitwurf – ein Einblick in die Tiergestützte Therapie
Von Annalena Hobrack
„Gib den Menschen einen Hund und ihre Seele wird gesund“, wusste einst schon die Heilerin Hildegard von Bingen zu berichten. Denn Hunde sind nicht nur loyale Haustiere, sondern auch in vielen anderen Bereichen des Lebens sehr geschätzt. Sei es als Hüte-, Lawinen- oder Blindenhunde, die treuen Vierbeiner sind durch ihre besonderen Fähigkeiten und hohe Auffassungsgabe zu einer großen Unterstützung für den Menschen geworden. So spielen sie auch in der tiergestützten Therapie eine wichtige Rolle.
Die Akteure
Therapiehunde unterscheiden sich von sogenannten Besuchshunden durch konkrete therapeutische Ziele, die mit dem Hund als Medium erreicht werden sollen. Genau diesen Anspruch hat auch Katharina Elle mit ihren beiden Hunden „Amrei“ und „Frodo Frechling“. Sie ist seit drei Jahren auf dem Gebiet der Tiergestützten Therapie aktiv und besucht regelmäßig Wohn-, Alten- und Pflegeheime sowie Privatpersonen. Heute – im „Dora-Schmidt-Haus“ Kleinwelka - ist die Briard-Hündin Amrei mit von der Partie, die mit ihren elf Jahren selbst schon als „Seniorin“ gilt. Von ihrem fortgeschrittenen Lebensalter ist allerdings wenig zu spüren, denn ihre freudige Erwartung auf die bevorstehende Aufgabe ist kaum zu übersehen. Briards stammen ursprünglich aus Frankreich und wurden als Arbeitshunde eingesetzt. Ihr Wesen ist deshalb von großem Arbeitseifer geprägt. Geht es zur Arbeit, fängt die kuschelige Hündin an zu tanzen, ungeduldig darauf wartend, dass das Frauchen endlich nachkommt. Die Zimmer der Klienten findet sie mittlerweile ganz allein und steuert sie zielstrebig an. Aber nicht, ohne auch den anderen Bewohnern kurz zuzu(l)hecheln. Bereitwillig lässt sie sich herzen und kuscheln und sorgt mit ihrem ruhigen Wesen für Entspannung. Ganz anders sieht es aus, wenn Frodo mit im Einsatz. Der bellfreudige junge Rüde bringt ordentlich Temperament mit. Auch er ist ein Hütehund, allerdings ein schottischer. Bearded Collies (bekannter sind die mit ihnen verwandten Border Collies) sind aufgeweckte, fröhliche Hunde, die ebenfalls eng mit ihrem Menschen zusammenarbeiten wollen. Trotz seines überschwänglichen Charakters spürt er schnell, wenn es jemandem nicht gut geht. Wenn ein Mensch weint, verletzt oder krank ist versucht er Trost zu spenden. Sein Kopf liegt dann ruhig im Schoß und die großen braunen Kulleraugen mit den langen Wimpern beobachten genau. Ob in Gruppen oder mit Einzelpersonen gearbeitet wird, ist den beiden egal. Hauptsache es gibt leckere Hundekekse und ein paar spannende Spiele.
Die Begrüßungsrunde
Sobald wir in der Einrichtung angekommen sind, leitet Amrei uns zielsicher zu ihrem Einsatzort. Hier ist alles schon vorbereitet. Die Teilnehmer am Therapieangebot, circa 15 Bewohner des Altenheims, sitzen bereits in freudiger Erwartung im Kreis. Frau Elle begrüßt alle und auch die zuständige Ergotherapeutin freut sich sehr Amrei zu sehen. Da Frau Elle mit vielen Demenzerkrankten zusammenarbeitet, ist es nicht immer selbstverständlich, dass sie beide sofort erkannt werden, doch heute scheint dies der Fall zu sein. Nachdem sich Hund und Frauchen eingerichtet haben, kann es auch schon losgehen. Und zwar mit der beliebten „Begrüßungsrunde“: Jeder Teilnehmer darf Amrei streicheln und ihr ein Leckerli geben. Dabei fällt der sehr sanfte und vorsichtige Umgang der Hündin mit den Patienten auf. Wer nicht streicheln möchte, kann auch einfach nur zusehen. Beim Aussuchen der Leckerlis werden taktile Fertigkeiten gefördert. Außerdem stellt Frau Elle die Aufgabe, die Form der Hundekekse zu erkennen, was außerdem das Sehvermögen der Patienten schult. In der ganzen Gruppe wird überlegt, bis schließlich die richtige Antwort gefunden ist. So unterstützt dieses Spiel auch die Kommunikation der Patienten untereinander. Insbesondere das Streicheln des Hundes erfreut sich großer Beliebtheit. Bei blinden Teilnehmern ist das „Erfühlen“ des weichen Fells des Tieres besonders wichtig. Außerdem macht es einfach nur Freude. Einige der Patienten wollen Amrei kaum los lassen. Hunde eignen sich auch deshalb gut als Therapietiere, da viele Menschen bereits mit ihnen in Kontakt gekommen sind, beispielsweise durch den eigenen Besitz. Eine Beziehung kann schnell und einfach aufgebaut werden und frühere Erinnerungen werden mit den neuen verknüpft.
Die Sportrunde
Ein weiteres wichtiges ergotherapeutisches Ziel ist die Bewegung. Gerade die Patienten hohen Alters haben diese besonders nötig. Im Alltag ist der Sport jedoch schwer zu integrieren. Die Hundetherapie kann dabei helfen. Frau Elle weist die Teilnehmer an, ihre Beine zu heben und oben zu halten. Viele wissen bereits worum es geht. Ein Leckerli für den Hund wird unter den Stuhl des Patienten geworden und Amrei holt es sich, indem sie unter den Beinen der Leute hindurch klettert. Eine Teilnehmerin hat solchen Spaß an dieser Übung, dass sie aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt. So wird auch die Freude an der Bewegung gefördert. Einige der Teilnehmer, die ihre Beine nicht so lange heben können, schauen trotzdem mit Interesse bei dem Spiel zu.
Der Leckerchen-Weitwurf
Nachdem die Sportrunde mit den Worten „Sport ist Mord!“ abgeschlossen ist, geht es direkt mit dem nächsten Spiel weiter: dem Leckerchen-Weitwurf. Auch hierbei geht es um die Bewegungsförderung. Zudem spielt die Koordination eine große Rolle. Von Vorteil für das Spiel ist der weitläufige Flur des Altenheims, der gleich zu einer Rennbahn für Amrei wird. Jeder Patient darf sich ein Leckerli aussuchen (auch hier wird wieder das Fühlen trainiert) und es dann mit Kraft in Richtung Flur werfen. Dort holt es sich Amrei dann. Dabei haben der Hund und die Gruppe sichtlich Spaß.
Geschenke-Auspacken
Doch noch viel enthusiastischer geht Amrei an das nächste Spiel heran. Frau Elle bezeichnet es sogar als das Lieblingsspiel der Hündin. Für diesen Teil der Therapie hat das Frauchen jede Menge leerer Verpackungen aus Pappe mitgebracht. Von den Bewohnern bekommt sie sogar manchmal Klopapierrollen geschenkt, da diese sich auch gut für das Spiel eignen, wie Frau Elle lachend erklärt. Zunächst geht es ans große Einpacken. Jeder Patient bekommt eine leere Verpackung und befüllt diese mit Leckerlis. Dabei werden die motorischen Fertigkeiten der Teilnehmer trainiert. Viele zeigen großen Ehrgeiz bei dieser Aufgabe. Dann werden die Verpackungen gut versiegelt, damit der Hund auch ein bisschen Arbeit hat. Denn Amrei möchte natürlich auf die Probe gestellt werden. Daraufhin werden die „Futterbomben“ so weit wie möglich geworfen und Amrei macht sich eifrig ans Auspacken. Die Hündin fackelt nicht lange, sehr zum Erstaunen der Patienten. Immer wieder zeigen sie sich begeistert über die Fähigkeit des Hundes, die Verpackung zu öffnen und die Leckerlis zu vertilgen.
Die Abschiedsrunde
Nach diesem letzten Spiel, wird die Begrüßungsrunde als Abschiedsrunde wiederholt. Jeder darf noch einmal streicheln und Amrei mit Leckerlis verwöhnen. Einige Teilnehmer wollen gar nicht aufhören, dem Hund heimlich noch ein paar weitere Hundekekse zuzustecken. Auch wenn Frau Elle immer wieder betont, dass Amrei bereits genug hatte, wollen viele den Hund noch einmal verköstigen. Die Stimmung ist locker und die Patienten wirken aufgeweckter als zuvor. Die „Hundestunde“ hat ihnen gut getan und sie freuen sich bereits auf das nächste Mal. Auch Katharina Elle ist zufrieden: „Eine fröhliche und lebendige Runde mit aufgeweckten Teilnehmern“ – genau das, was die Hundetherapie erreichen möchte.
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